Yalova – Unsere Reise in einen türkischen Alltag

Seit unserem letzten Bericht sind einige Wochen vergangen. Es ist dennoch viel passiert und erlebt worden von dem berichtet werden kann. Jetzt stehen wir kurz vor der Rückreise nach Europa und letztlich Weimar und es ist doch noch etwas Zeit den Blog mit Eindrücken zu füllen.

Nach unserem Halt in Bursa haben wir die letzten Wochen bei unserer Freundin Azize unter Eichenbäumen an Ihrem Haus verbracht. Bei diesen Temperaturen ein wunderschöner Platz mit Blick auf die Berge und Wälder im Hinterland des Marmarameeres. Wir leben hier gemeinsam mit sechs Hunden (+Besuchende), zwei Katzen (+Besuchende) und dem Hahn mit seinem Harem.

Nach unserer Ankunft bei Azize sind wir ein weiteres Mal gemeinsam zurück nach Edirne gefahren. Das hatte sich spontan so entwickelt und wir ahnten bei unserem Besuch in Edirne nichts davon. Für eine Fernsehproduktion des türkischen Fernsehens waren wir eingeladen Musik- und Filmaufnahmen in der Şifahane zu machen. Ein Fahrer des Senders hat uns morgens um sechs Uhr abgeholt und uns abends zurückgefahren.

Von unserem festen Wagenplatz in Yalova haben wir die Gegend erkundet. Die Wälder und Täler mit Bächen und Wasserfällen. Wir sind ein weiteres Mal nach Bursa gefahren, da der Seidenbasar nach dem ersten Besuch noch nicht ausreichend erkundet war. Iznik, das alte Nicäa, und den Iznik See mit den umgebenden, uralten Olivenhainen.

Unser Alltag bestand aus Gartenarbeit, Pool pflegen und Tiere versorgen. Merlin konnte sich teilweise gut in das Rudel der wilden Hunde integrieren. Er wurde allerdings nie ganz aufgenommenen. Die Sechs verteidigen ihren Hügel und ihr Zuhause kompromisslos haben Merlin aber als Besucher akzeptiert.

Neben der gemeinsamen Arbeit am Haus hatten wir viel Zeit zu schwimmen und Musik zu machen. Annegret liebt die Ausflüge zum Einkaufen an den Markttagen in Yalova. Auf dem Basar türmen sich frische Gemüse und Obst aus der unmittelbaren Umgebung. Der Jahreszeitenkalender kann hier auch an der Überfülle reifer Früchte abgelesen werden die fließend ineinander übergehen. Und lange Lieferwege sind dabei kein Thema, da Yalova und Bursa wasserreiche Paradiesgärten sind. Frischgeerntete Früchte die unmöglich in dieser Reife ferne europäische Supermärkte erreichen können. Pfirsiche die beinahe mit einem Strohhalm ausgetrunken werden können. So saftig und prall liegen sie auf den Tischen.

Die vergangenen zwei Wochen haben wir mit vielen FreundInnen verbracht. Wir waren verabredet in Azizes Haus um eine Woche gemeinsam an Liedern aus der türkischen Sufitradition zu arbeiten. Wir haben übersetzt, uns über die Inhalte ausgetauscht und viel gesungen und gespielt. Am letzten Wochenende haben wir uns mit etwa 200 weiteren Menschen aus der Sufitradition ganz in der Nähe getroffen um 3 Tage und 3 Nächte den Sema zu feiern.

Blick über Yalova bis nach Istanbul

Hoş geldiniz–Wir erreichen die Türkei

Über kleine Straßen erreichen wir die türkische Grenze. Die Abfertigung dauert aber es hält sich in Grenzen ;-). Wir werden an einer Anlage seitlich besprüht. Desinfektion.? Wenns hilft. Früher musste Mensch zu dem Zweck immer in Bulgarien durch ein Wasserbad fahren. Gegen Gebühr versteht sich und zum Schutz der Grenzen gegen noch so kleine Einwanderer.

Wir halten an einer Tankstelle für die türkische Vignette. Das System ist nicht ganz durchsichtig. Es funktioniert wie ein Prepaidkonto. Wir bekommen einen Scheibenaufkleber den wir aber nicht dran kleben, weil das Videosystem das registrierte Kennzeichen scannt. Angeblich reichen 300 TL um bis Yalova zu fahren. Wir können dort bei einer Post Geld aufladen. Wieviel Guthaben noch drauf ist erfährt mensch auch nur bei der Post. Auf dieser Reise schauen einen ständig Kameras wie digitale Überwachungsaugen an.

Wir fahren in Edirne zur Sultan Beyazid Komplex. Das alte osmanische Gesundheitszentrum mit Moschee, Medrese, Rosengarten und Krankenhaus (Şifahane bedeutet eigentlich Gesundheitshaus) haben wir schon früher besucht. Heute beherbergt es auch ein sehr umfangreiches Medizinmuseum. Auf Musikreisen und zu Konzerten bin ich schon früher mit meinem Lehrer Oruç Güvenç und der Gruppe Tümata hier gewesen. In diesem osmanischen Heilzentrum, erbaut 1488, wurde besonders auch mit Musiktherapie gearbeitet. Der Klang der klassischen orientalischen Makammusik und der Klang des Wassers aus zentralen Wasserbrunnen und kleinen Bachläufen im Gebäude wurde gemeinsam mit Kräutermedizin und anderen therapeutischen Maßnahmen eingesetzt. Dabei gab es ein umfangreiches Wissen über die Wirkung der differenzierten Tonarten auf Körper und Organe und seelische Zustände. So wurden hier schon früh auch psychische Dispositionen sehr ernst genommen und wissenschaftlich behandelt.

Wir wollten am Gelände übernachten und fanden Platz auf einer Schotterfläche neben dem Gelände. Der Wunsch einen Schattenplatz für ein Fahrzeug zu finden bleibt in der Türkei leider oft vergebens und unerfüllt. Es ist schon fast Abend und die Sonne sinkt langsam. Dennoch ist es erbarmungslos heiß. Mein Wunsch ist es am ursprünglichen Platz der Musiker auf meinen türkischen Instrumenten zu spielen. Ich habe Glück und treffe beim Betreten des Geländes gleich den Leiter des Museums. Er kennt natürlich die Arbeit von Oruç Güvenç und seine Forschung zur altorientalischen Musiktherapie. Über meine Idee Musik zu machen freut er sich und er meldet den Wachleuten mein Kommen für den nächsten Tag an.

Es ist ein wunderschöner Ort um Musik auf Ney, Rebab und Kopuz/Oud zu spielen. Die Kuppel hat eine angenehme Akustik und die Musik wird mit dem Klang des Brunnens in die angrenzenden Räume getragen.

Weitere Vorhaben in Edirne sind türkische Lira besorgen, eine türkische Sim Karte für Internet, die Syleimaniye Moschee des großen Architekten Sinan besuchen und etwas durch den Basar schlendern. Das lässt sich von unserem Standplatz alles gut erledigen. Kurios ist niemand wollte an einer Grenze unseren Pass (also das Stempelheft) sehen. Aber um eine Sim Karte zu bekommen brauchen wir den Pass möglichst mit Einreisestempel (der nicht drin ist wenn an der Grenze niemand den Pass sehen möchte). Am Ende haben wir ausreichend Datenvolumen für einen Monat und auch digital weiterhin „on the road“ bleiben zu können.